Über die Bedeutung der Kriegserlebnisse Frantz Fanons für seine antirassistischen Theorien
Alice Cherki, Psychiaterin, Publizistin und Mitstreiterin Frantz Fanons, ist in Algerien geboren und hat dort als jüdisches Kind die antisemitischen Gesetze des Vichy-Regimes persönlich miterleben müssen. So musste sie im Alter von drei Jahren ihren Kindergarten verlassen, „weil sie Jüdin war“, auch wenn sie damals noch gar nicht verstand, was das bedeutete. Ihre Beschreibung dieses Erlebnis wird an einer Hörstation der Sonderausstellung des NS-Dokumentationszentrums über „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ (im Kapitel über Judenverfolgung außerhalb Europas) im Originalton präsentiert.
In den 1950er Jahren hat Alice Cherki als Psychiaterin und Aktivistin der algerischen Befreiungsfront eng mit Frantz Fanon zusammen gearbeitet: bei der Revolutionierung der algerischen Psychiatrie und im Befreiungskampf gegen die französische Kolonialmacht im Untergrund in Algerien und in Tunesien. Später arbeitete sie als Publizistin und veröffentlichte neben einer Biographie Frantz Fanons u.a. auch ein Buch über die Juden Algeriens (Les Juifs d’Algerie).
Frantz Fanon hat Befreiungskämpfer in der Dritten Welt und Intellektuelle in den Industrieländern gleichermaßen fasziniert und beeinflusst - zum einem mit seiner ungeschminkten Analyse des europäischen Kolonialismus und Rassismus, zum anderen mit den praktischen Konsequenzen, die er daraus zog. 1925 in Martinique geboren, studierte Fanon Philosophie und Medizin in Lyon und meldete sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig, um für das „Freie Frankreich“ und gegen Nazideutschland zu kämpfen. Wie Cherki in der Biografie „Frantz Fanon – Ein Porträt“ (Nautilus-Verlag, 2000) beschreibt, haben der Antisemitismus der Nazis und die rassistische Diskriminierung der Kolonialsoldaten in den französischen Streitkräften seine spätere Analyse des Rassismus entscheidend geprägt.
In Kooperation mit FilmInitiativ Köln e.V., Recherche International e.V., NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, gefördert durch InWEnt.
Die Veranstaltung bildet den Auftakt des von FilmInitiativ Köln präsentierten Festivals "Jenseits von Europa XI – Neue Filme von Afrika" (19.September bis 4.Oktober 2010)
Sie ist zudem Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung "Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg", die das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln vom 15.September 2010 bis zum 16.Januar 2011 zeigt.